„Tatort“ heute: „True Romance“ auf Wish bestellt – Kritik zum neuen Fall „Mike & Nisha“ aus Ludwigshafen
Sind die Katzen aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch: So auch im neuesten “Tatort“-Fall „Mike & Nisha“ aus Ludwigshafen… Wir haben den neuen Tatort schon gesehen und geben euch eine Einschätzung.

Tote Eltern, Hochzeiten und Babys: In Ludwigshafen ist die Hölle los. Doch sind die Schandtaten des heutigen „Tatort“ glaubwürdig oder erfordert „Mike & Nisha“ eine willentliche Aussetzung der Glaubwürdigkeit?
Handlung der neuen „Tatort“-Folge „Mike & Nisha“
Mike (Jeremias Mayer) und Nisha (Amina Merai) haben ein Problem: Sie müssen Mikes Eltern (Judith Hofmann und Bruno Cathomas) gestehen, dass Nisha schwanger ist. Und als wäre das nicht genug, offenbart das junge Liebespaar diese Neuigkeit beim allerersten Zusammentreffen der Eltern mit Nisha. Aus einem friedlichen Kennenlern-Dinner wird ein mehr als agitierter Streit, welcher vollends eskaliert, als Mike und Nisha offenbaren, dass sie heiraten wollen. Nachdem Mikes Vater handgreiflich wird, entschließt sich das Paar, Mikes Eltern umzubringen. Und eigentlich gelingt es den beiden, das Verbrechen gekonnt zu vertuschen, doch die aufmerksame Nachbarschaft (Anna Stieblich und Wolf Bachofner) alarmiert die Polizei, und prompt stehen die Ermittlerinnen Odenthal (Ulrike Folkerts) und Stern (Lisa Bitter) auf der Fußmatte – mehr als sicher, dass Mike und Nisha Dreck am Stecken haben …
Für „Mike & Nisha“ gilt: Gehirn aus, Spaß an
„Suspension of disbelief“ oder auch „willentliche Aussetzung der Glaubwürdigkeit“ bezeichnet das Einlassen auf eine Illusion, um dafür im Gegenzug eine gute Zeit geboten zu bekommen. Diese Regel trifft vollends auf „Mike & Nisha“ zu. Es gibt unfassbar viele Dinge, an denen man sich hier aufhängen kann: Eltern, die sich so verhalten, als würden sie in den 50ern leben, junge Menschen, die unbedingt heiraten wollen, bevor sie ein Kind bekommen wollen, eine Katze, die innerhalb von fünf Sekunden von einem Hund umgebracht wird, und ein Vater, der in einem geschlossenen Raum derartig laut brüllt, dass die Nachbarin das bis über die Straße hört.
In anderen „Tatort“-Fällen wären diese vielen Punkte, an denen man sich narrativ aufhängen kann, mehr als störend, doch „Mike & Nisha“ gelingt eine etwas andere Gradwanderung: Lässt man sich auf den Quatsch ein, bekommt man einen Fall geboten, der eigentlich spannend ist. Mike und Nisha werden in eine Situation geworfen, bei der man sich kontinuierlich fragt, wie sie aus dieser herauskommen. Das zieht vor den Bildschirm – auch wenn nicht so gut wie in anderen Fällen wie „Weil sie böse sind“.
„Mike & Nisha“: Teichbau statt Vorbau
In einer Hinsicht kann man die Glaubwürdigkeit aber nicht aussetzen: Als Zusehender oder Zusehende kennt man Mike & Nisha circa so lange, wie Mikes Eltern Nisha kennen. Man weiß nichts über vorausgegangene Konflikte oder Probleme mit Mikes Eltern, und das zeigt sich: Die Ausgangslage, also der Mord der Eltern und der zukünftigen Schwiegereltern, passiert aus dem Nichts – und auch nur, weil sich Mikes Vater so unsäglich aggressiv verhält, dass man ihn am liebsten auch umbringen wollen würde. So „perfekt“ unperfekt kann man nur geschrieben sein, wenn man diesen Umstand erzwingt. Aber wenn man etwas erzwingt, dann ergibt es sich in neun von zehn Fällen nicht aus dem Drehbuch. Apropos erzwingen…
„Mike & Nisha“ ist wahrlich keine Sternstunde im Ödenthal
Man weiß ja, was man über die besseren „Tatort“-Fälle sagt: Je interessanter die Täter und Täterinnen, desto weniger Raum ist für die Ermittler und die Ermittlerin da. Und das bewahrheitet sich auch in diesem „Tatort“. Stern und Odenthal sind eine einzige Randnotiz, die nach einer knappen halben Stunde das erste Mal auf den Plan treten und für die Zuschauerschaft Dinge und Sachen ergründen, die uns schon seit einer gefühlten Ewigkeit bekannt sind. Dazu gesellt sich das „Backdoor-Pilot“-Phänomen, also das Ausarbeiten von Charakteren in der Hoffnung, dass diese irgendwann Stern und Odenthal beerben können – sofern diese in naher Zukunft planen sollten, den „Tatort“ zu verlassen. Ein Gedanke, der nicht abwegig ist, wenn man bedenkt, dass Odenthal in ihrem 82. Fall ermittelt.
Unser Fazit: Kann man machen, muss man aber nicht
Per se gilt wie immer die Regel: Der „Tatort“ kann geguckt werden, aber auch nur, weil Sonntagabend kaum etwas „Besseres“ im TV läuft. Wer Interesse haben sollte, „Mike & Nisha“ eine Chance zu geben, wird überrascht – sowohl im Positiven als auch im Negativen. Wenn auch etwas ungelenk, wird in den letzten zehn Minuten eine Wendung offenbart, die vorher ungelenke Drehbuchentscheidungen einordnet … und ironischerweise in die Fußstapfen eines seltsamen Themenkosmos tritt, den die ARD häufiger bedient (Fans von „Türkisch für Anfänger“ und „Berlin Berlin“ sollten wissen, was ich meine). Für alle, die immer noch auf dem Schlauch stehen: Titel 5 auf dem dritten Studioalbum von „Die Ärzte“…








